5+1 Fragen an... Sebastian Frank.
Der Berliner Sternekoch über Nachhaltigkeit in der Kulinarik.
Knapp elf Jahre ist es her, dass Sebastian Frank im Berliner Traditionsrestaurant HORVÀTH als Küchenchef antrat. Seitdem erkochte der Österreicher nicht nur zwei MICHELIN-Sterne, das grüne Blatt des Guide MICHELIN für nachhaltiges Arbeiten, 18 von 20 Punkten in Gault & Millau und den Titel „bester Koch Europas”.
In der Welt der Kulinarik ist er auch für seine nachhaltige Küche bekannt, für hochwertige regionale Produkte und eine klare Haltung. Mit Avoury sprach Sebastian Frank über den Verzicht auf Luxusprodukte, alkoholfreie Getränkebegleitung, Heimatküche — und Sellerie.
Avoury: #1
Auf welchen Teil Ihrer nachhaltig ausgerichteten Küche sind Sie besonders stolz?
Wir haben diesen Prozess vor vielen Jahren eher unbewusst losgetreten, indem wir den Fokus auf die Produkte meiner Kindheit und auf meine kulinarische Identität gesetzt haben. Dadurch habe ich darauf verzichtet, beispielsweise einen Steinbutt oder einen Salzwasserfisch zu kaufen. Diese Herangehensweise entwickelte sich auch, weil ich der Meinung war, dass die Produkte, die viele Köche jeden Tag verwenden, nicht in ausreichender Qualität in Berlin zu bekommen sind. Wenn der Steinbutt aus der Bretagne in So schlechtem Zustand kommt, in dem ich ihn nicht mehr verarbeiten kann, kann ich bis zum Abend schwer einen neuen besorgen. Wenn aber die Gurke nicht so ist, wie ich sie mir geschmacklich vorstelle, kann ich im Umkreis vom Restaurant nach Alternativen suchen. Warum soll ich daher mit Produkten arbeiten, mit denen ich nicht aufgewachsen bin? Heute bin ich auch ein wenig stolz darauf, dass sich dieser Prozess aus mir heraus entwickelt hat. Denn es war kein Gedanke, einem Trend folgen zu müssen. Stattdessen rührt die Nachhaltigkeit aus meiner Kindheit und Herkunft her. Bei uns zu Hause wurde so gut wie nichts weggeworfen, die Zutaten oder vermeintliche Reste wurden aufgearbeitet - sei es das Schnitzelfett, das etwas abgewandelt wieder verwendet wurde. Das leben wir heute auch im HORVÀTH.
Avoury: #2
Was macht eine nachhaltige Küche eigentlich aus und woran erkennt man sie?
Nachhaltige Küche macht aus unserer Sicht aus, dass man sich mit der gesamten Wertschöpfungskette, auseinandersetzt die ein Produkt mitbringt. Wenn man die Produkte und ihre Herkunft verstehen lernt und erstere verarbeiten kann. Wir verwenden nicht nur die vermeintlich schönsten Stücke, sondern sehen das Produkt und Tier im Ganzen. Dieses ganzheitliche Denken ist uns wichtig. Das grüne Blatt ist sicher ein Merkmal, um ein nachhaltig orientiertes Restaurant zu erkennen. Auch in der Speisekarte kann man mitunter schon erkennen, welche Produzenten im Spiel sind.
Avoury: #3
Im HORVÀTH verzichten Sie bewusst auf eine Reihe von Produkten für die Nachhaltigkeit, beispielsweise auf Exoten oder die Salzwasserfische, die Sie eingangs erwähnt haben. Wie kam es dazu?
Ich versuche stets, das bestmögliche Produkt zu verarbeiten und möchte diesbezüglich keine Abstriche machen müssen. Zunächst startete ich mit sogenannten Luxusprodukten. Aber kurze Zeit später, das muss etwa 2011 gewesen sein, merkte ich, dass ich mit diesen Produkten nicht arbeiten möchte, zumal ich sie nicht so bekam, wie ich sie mir eigentlich vorstellte. Daher habe ich sehr früh damit begonnen, auf diese exotischen Produkte zu verzichten. Stattdessen wollte ich mich ausschließlich auf Produkte konzentrieren, die ich mit meiner Heimatküche verbinde und die in enger Zusammenarbeit mit den Landwirten entstehen. Daher hat sich meine Stilistik entwickelt und die emanzipatorische Küche, wonach jedes Produkt der Star auf dem Teller sein kann, wenn ich es mit Sorgfalt behandle. Durch eine bewusste Fokussierung auf bestimmte Produkte setze ich mich viel intensiver mit den einzelnen Produkten auseinander. Das führte zu Experimenten, die ich unter anderen Umständen wahrscheinlich gar nicht gemacht hätte. Aus einigen dieser Versuche sind Klassiker meiner HORVÀTH -Küche entstanden, so auch der Sellerie im Salzteig, der allein durch einfachste Methoden und das Handwerk der Haltbarmachung entstanden ist. Auch das ist eine Form der Nachhaltigkeit. Der „Sellerie reif und jung” ist bei uns ein Klassiker. Hier verarbeite ich mein
Lieblingsgemüse, den Knollensellerie. Das Gericht besteht aus gedämpften Knollenselleries, gerösteter Selleriesaat, legierter Hühnerbouillon und natürlich dem Salzsellerie, den ich hier als aromatisches Gewürz einsetze.
Avoury: #4
„Heimatküche“ ist ein gutes Stichwort. Als Mitbegründer des Vereins „Die Gemeinschaft” zusammen mit Nobelhart & Schmutzig stehen Sie für die Förderung eines regionalen Händler-Netzwerks und einer neuen Esskultur, die die Natur in den Vordergrund stellt. Glauben Sie, dass eine nachhaltig ausgerichtete Küche in Zukunft ein Muss sein wird, um in der Liga großer Spitzenköche mitzuspielen?
Vielleicht nicht ein Muss, aber nachhaltig zu handeln hat auch etwas mit sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung gegenüber den Landwirten zu tun. Wir können durch unsere Auszeichnungen eine viel breitere Masse und damit eine höhere Aufmerksamkeit erreichen. Unsere Stimme müssen wir nutzen, um darauf aufmerksam zu machen, nicht das konventionelle Fleisch oder Gemüse zu kaufen. Jeder kann sich seiner Verantwortung als Unternehmer in der heutigen Zeit stellen.
Avoury: #5
An welchen Themen arbeiten Sie denn zum Beispiel gerade, um sich dieser Verantwortung zu stellen und Ihre Küche noch nachhaltiger zu gestalten?
Es gibt da schon lange ein Thema, das uns beschäftigt: Wie können wir plastikfreier werden in der Küche, auch bei der Lagerung? Hier haben wir noch nicht die richtigen Lösungen für jede Herausforderung gefunden. Daran arbeiten wir!
Avoury: #5+1
Uns bei Avoury interessiert natürlich ganz besonders Ihr Blick auf Tee. Seit 2019 ergänzt Janine Woltaire als Sommelière Ihr Team. Haben Sie beide schon mal über Tea-Pairing statt Wine-Pairing nachgedacht?
Wir haben vor einigen Jahren eine hausgemachte alkoholfreie Getränkebegleitung kreiert, die genau auf unseren Stil im HORVÀTH abgestimmt ist. Damit bieten wir Gästen, die auf Alkohol verzichten möchten, eine echte Alternative zur traditionellen Weinreise. Bei den meisten Begleitungen bildet die Basis ein Grundsaft, der aus zwei Sorten Äpfeln, Petersilienwurzel, Karotten und Stangensellerie besteht. Zuerst werden alle Bestandteile entsaftet. Anschließend werden sie auf 75 bis 80 Grad erhitzt, wodurch sich Trübstoffe, Chlorophyll und Zellulose an der Oberfläche wie ein Kuchen absetzen. Dieser wird entfernt. Das Ergebnis ist ein klarer Gemüsesaft, der abgekühlt wie frisch gepresster Saft schmeckt und fast keinen Sättigungswert hat. Ist der Gemüsegrundsaft fertig, wird er in der Regel entweder aromatisiert oder mit einer weiteren Flüssigkeit versehen. Hier findet sich eine Kreation aus Molke, Meerrettich und Leindotter neben einer Kombination aus Gelber Beete und Kürbiskernöl. Abgerundet wird das Angebot von einer Reihe an Begleitungen, die ohne Grundsaft auskommen, wie etwa Teeauszüge, Gewürzauszüge oder Malzbiere. Wenn wir hier eine gute Idee haben, kann ich mir vorstellen, noch mehr mit Tee zu machen!
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