Mit allen Sinnen.
Wie Umgebung und Ambiente unser Geschmacksempfinden beeinflussen.
Mehr als 220 Mal täglich — so oft drehen sich unsere Gedanken um das Thema Essen.¹ Das geht über bewusste Überlegungen wie „Was soll es zum Abendessen geben?" hinaus. Was wir essen, wird vor allem von unbewussten Entscheidungen und Gedankengängen beeinflusst. Auch ob es uns letztlich schmeckt, lässt sich nicht nur auf offensichtliche Faktoren wie unsere Vorlieben oder den Geschmack der Lebensmittel zurückführen.
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Stattdessen spielt die Gesamtheit aller Sinneseindrücke eine Rolle. Von Sehen, Riechen, Schmecken, Fühlen, Hören bis hin zur generellen Atmosphäre — Geschmack ist ein komplexer Sinneseindruck. Wir erklären, was dahintersteckt und wie wir unser Geschmackserlebnis verstärken können.
„Kulinarisches Vergnügen entsteht im Kopf, nicht im Mund:“ Glaubt man Charles Spence, dann spielt der Geschmack beim Essen nur eine Nebenrolle. Seit mehr als 20 Jahren forscht der Psychologe an der Universität Oxford zur Frage, wie das Ambiente, unsere Sinne und die Seine These: Es gibt keinen neutralen Kontext, wenn wir essen. Nicht nur das Auge, auch die Ohren, die Nase, das Gedächtnis und unsere Vorstellungskraft essen mit. Dafür prägte Spence sogar eine eigene wissenschaftliche Disziplin: die sogenannte Gastrophysik, die er auch als „new science of eating” bezeichnet.
Insbesondere Restaurants sind das perfekte Experimentierfeld, um Essen mit allen Sinnen erlebbar zu machen. Im „Sublimotion” auf Ibiza kommen die Gäste nicht nur in den Genuss der Sterneküche, sondern erleben auch eine besondere Show. Jedes Gericht des dort servierten 20-Gänge-Menüs wird durch Wandprojektionen, Licht- und Soundeffekte begleitet. Meeresfrüchte zum Beispiel werden in einer simulierten Unterwasserwelt serviert. Dabei geht es weniger um eine künstlerische Darstellung, sondern um Emotionen, einen intensiveren Geschmack und insgesamt eine unvergessliche „dining experience”. Allerdings muss man dafür nicht nach Ibiza fliegen — ein intensiveres Geschmackserlebnis. gelingt mit den folgenden Tricks auch zu Hause.
#1 Light it up.
In warmem, gedimmtem Licht fühlen wir uns wohler - zum Beispiel, wenn im Restaurant oder auf dem heimischen Esstisch eine Kerze leuchtet. Durch die gemütliche (Licht)-Stimmung lassen wir uns mehr Zeit und können das Essen mehr genießen. Kühles Licht hingegen gehört eher in einen Arbeitskontext, da es eher für Wachheit und bessere Konzentrationsfähigkeit statt für Entspannung sorgt. Auch ein Spiel mit der Lichtfarbe ist einen Versuch wert: Studien² zufolge schmeckt Rotwein, der in rotem oder blauem Licht getrunken wurde, besser oder gar fruchtiger als in normalem, weißem Licht.
#2 Listen up!
Neben der richtigen Beleuchtung kann auch Musik für ein angenehmeres Ambiente sorgen. Neben Salz und Pfeffer eignet sich daher auch Sogenanntes „Sonic seasoning”, um Gerichten die entsprechende Würze zu verleihen. Dabei kommt es allerdings auf den passenden Soundtrack an: Bei Lärm nehmen wir süße und salzige Geschmacksnoten weniger wahr. Durch die richtige Musik hingegen empfinden wir süße, saure oder bittere Nuancen um bis zu 15 Prozent intensiver. Hohe Töne etwa verstärken vor allem süße Aromen, während tiefe Töne bittere Nuancen hervorheben. Weniger überraschend: Pasta oder andere italienische Speisen schmecken am besten, wenn dazu Pavarotti oder andere klassische Stücke gespielt werden. Zu scharfen Gerichten wie Chilis hingegen sollte lieber Rockmusik aufgelegt werden: Einer Studie zufolge schmeckte das Essen schärfer, wenn im Hintergrund Rock statt Jazz lief.
#3 Of colours and contrasts.
Nach dem Motto „Das Auge isst mit” ist nicht nur bei der Zubereitung und Präsentation der Speisen auf dem Teller Kreativität gefragt, sondern auch bei der Gestaltung des Tisches. Ein harmonisches Zusammenspiel der Farben von Speisen und Gedeck ist eine einfache Möglichkeit, das Geschmackserlebnis zu verbessern.
Einer Studie zufolge werden Desserts, die eine kräftige Farbe hatten, auch als geschmacksintensiver wahrgenommen. Bei der Tellerfarbe sollte daher vor allem auf Kontraste gesetzt werden. Denn: Haben Teller die gleiche Farbe wie das Essen, erscheint dieses blasser und schmeckt womöglich fader. Darüber hinaus gibt es eine ganze Palette an Empfehlungen, welches Essen mit welcher Tellerfarbe kombiniert werden sollte. Grüntöne beispielsweise lassen Gerichte weniger salzig schmecken und passen gut zu Speisen in den Kontrastfarben Gelb oder Orange – wie zum Beispiel einem indischen Curry. Rottöne hingegen können Gerichte süßer schmecken lassen, weshalb rotes Geschirr perfekt mit Desserts harmoniert. Aber Achtung: Rotes Geschirr kann unseren Appetit auch senken, da die Farbe der Gefahr unserem Gehirn „Stop“ signalisiert.
Neben Speisen spielt die Farbintensität auch in der Welt des Tees eine Rolle: Starke, aromatische Sorten wie der STRONG ASSAM zeichnen sich passend dazu auch durch eine dunklere Farbe aus als beispielsweise der PREMIUM DARJEELING — dieser ist milder im Geschmack und entsprechend auch optisch zarter. Um selbst gekochtem Essen ein geschmackliches Upgrade zu verleihen, reicht es mitunter schon, schweres Besteck zu verwenden. So fühlt man sich automatisch wie in einem teuren Restaurant, was sich auch im Geschmackserlebnis niederschlägt. Woran das liegt? Unser gesamtes Leben ist von Erwartungen geprägt. Ausgehend von unseren bisherigen Erfahrungen entwickelt das Gehirn ständig Annahmen über die Zukunft. So auch beim Essen: Lange bevor wir den ersten Bissen probiert haben, überlegen wir, wie ein Gericht wohl schmecken wird. Als Anhaltspunkt dient dabei etwa das Ambiente: Ob Hintergrundmusik, Besteck oder Lichtverhältnisse - die Gesamtheit der Eindrücke und der damit verbundenen Erwartungen beeinflussen letztlich unsere sinnliche Wahrnehmung des Essens.
#4 Perfect tea shouldn’t be rushed ...
Ob beim Essen oder beim Tee, man sollte sich Zeit nehmen, um den Geschmack in all seinen Facetten zu entdecken. Denn wie Tee-Liebhaberinnen wissen, spielt Zeit in Bezug auf Tee eine entscheidende Rolle. Das gilt nicht nur fĂĽr die bevorzugte Tea Time oder die optimale Ziehzeit, sondern besonders fĂĽr den Genussmoment.
Dabei sollte man sich, in Ruhe und bewusst, Schritt für Schritt auf die einzelnen Sinne konzentrieren. Zunächst heißt es: Augen auf. Es lohnt sich, einen genauen Blick in die Tasse zu werfen, da der Farbton bereits etwas über den Geschmack verrät. Heller gefärbte Tees wie der PEARLS OF JASMINE schmecken meist leichter und frischer, während intensivere Farbtöne wie beim DARK CHOC auf einen volleren, reicheren Geschmack hindeuten.
Next Step: Smell it! Riecht der Tee grasig, holzig, süß, blumig, würzig oder fruchtig? Wie stark der Einfluss des Geruchs wirklich ist, erkennt man, wenn man einen besonders aromatischen Tee ausnahmsweise mit geschlossener Nase trinkt. Denn wer weniger riecht, schmeckt auch weniger. Last, but definitely not least: Zeit, den Tee zu kosten. Während sich der Tee und dessen Aroma langsam im Mund ausbreiten, wird verglichen: Entspricht der Geschmack dem ersten Eindruck, den der Duft des Tees vermittelt hat? Wie fühlt sich der Tee im Mund an? Welche feinen Geschmacksnoten stechen hervor und verändert sich der Geschmack sogar? Während der erste Schluck vom PEARLS OF JASMINE beispielsweise vor allem frisch schmeckt, entfaltet sich das typische, blumige Jasmin-Aroma erst mit der Zeit. Ganz nach dem Motto: Great things take time.
Primary sources:
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Âą Wansink, B. & Sobal, J. (2007). Mindless eating: The 200 daily food decisions we overlook. Environment and Behavior 39 (1), 106-123
² Oberfeld, D., Hecht, H., Allendorf, U. & Wickelmaier, FE. (2009). Ambient lighting modifies the flavor of wine, Journal of Sensory Studies, 24(6), 797-832.
Spence, ©. Velasco, 0. & Knoeferle, K. (2014). A large sample study on the influence ft he multisensory environment on the wine drinking experience. Flavor, 301), 1-12.
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